Holly Golightly

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Wir sind Mareike und Franz. 2022 haben wir uns mit unser Yacht Holly Goligthly auf den Weg gemacht, um die Welt zu entdecken.

#43
Nordatlantik

Atlantic-Crossing II

  • Reisegeschichten
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Nur noch lausige 2200 Seemeilen (ca. 4000 km) bis zur nächsten Pommesbude auf Martinique

Transatlantik

Wer denkt bei diesem Begriff nicht an unendliche Weite und Reisen an ferne Ufer? Um die Jahrhundertwende fuhren stolze Windjammer wie die Pamier oder Passat „transatlantik“, später dann große Ozeanriesen gefolgt von den ersten Transatlantikflügen in den 50er Jahren. Heute ist der Sprung über den großen Teich nur noch eine Frage von Stunden und reine Routine.

Für Segler verströmt diese Route aber immer noch den Reiz und die Magie von einst. Einmal rübermachen – davon träumte auch schon immer der Skipper der „Holly Golightly“. Nur ca. fünf bis sechs Jahre nachdem sich seine liebste Mareike von dieser Idee hatte infizieren lassen, lösten wir die Leinen im Hafen von Mindelo auf den Kapverden und stachen Richtung Westen in See. Ungefähr 2200 Seemeilen (4000 km) lagen vor uns. Eine recht große Fläche Salzwasser dekoriert mit unendlich vielen Wellen verschiedenster Form und Größe.

Die Große Unbekannte auf dieser Reise: Das Wetter

Im Gegensatz zu den alten Salzbuckeln von einst, verfügen wir über die Möglichkeit unterwegs halbwegs zutreffende Wettervorhersagen zu bekommen. Via Satellit kommen diese zu uns und verraten uns was in den kommenden drei Tagen so passieren wird. Das dumme daran: Wir benötigen eigentlich eine Vorhersage von ca. 20 Tagen. Da das Wetter aber über einen gewissen Eigensinn verfügt, läßt sich da nicht viel machen. Instinkt und Glück sind also gefragt. Damit liegt man nicht alleine im Hafen. Fast alle wollen in die gleiche Richtung und ein allgemeines Fiebern liegt in der Luft. Man bespricht sich, schaut Wetterkarten und startet oder wartet. Irgendwann wir das Rudel dann unruhig und es ist klar: da liegt was in der Luft. Nun könnte es losgehen.

So ist es dann auch bei uns. Am Vormittag des 17. Februar um 11:11 lösen zwei Briten, die wir im Hafen kennengelernt hatten, unsere Leinen. Parallel mit uns legen Maria und Johannes mit der „Moggulus“ ab. Dahinter „Zorra“ aus den Niederlanden und ein Kat namens „Gaston“.

Eigentlich haben wir die Idee, eine Zeitlang zusammen zu bleiben. Aber wie das so ist: Schon am nächsten Morgen haben wir uns aus den Augen verloren und sind leider außerhalb der Reichweite unserer Funk- und AIS-Systeme.

Somit sind wir ganz auf uns alleine gestellt! Diese schier endlose Strecke die, noch vor uns liegt ist in gewisser Weise völlig surreal, faszinierend und auch ein wenig beängstigend. Aber wir sind gut vorbereitet! „Holly“ ist mit allem beladen, was wichtig sein könnte: Wasser, Cola, Bier (ohne Alc!), Lebensmittel, Schokolade und andere Süßigkeiten, Ersatzteile und Werkzeug, Klopapier, Medizin, Diesel, Gas, Musik (Kölsche Lieder!), Literatur, Höhrbücher, Rettungsinsel, Satellitentelefon, Vorwindsegel, Angelausrüstung, Seenotsender und -raketen, Solarpanele und Unmengen von anderen Dingen.

Wie immer ist der Anfang schwer. Schon nach wenigen Stunden sind wir gestresst - Mareike ist übel und der Skipper hat ein schlechtes Gewissen. In was hat er seine Liebste hier wieder reingeritten? Die Wellen kommen aus der einen, der Wind aus der anderen Richtung - die Atlantikdünung aus einer noch anderen Richtung. Wir tanzen wie der berühmte Korken auf dem Wasser. Warum tut man sich das eigentlich an? Es ist wie immer, die Seebeine müssen erst wieder wachsen — und das dauert!

Angriff der fliegenden Fische

Während wir also hoffen eine gewisse Harmonie mit dem Meer zu erreichen, versuchen vereinzelte Meeresebewohner tragischerweise das Gegenteil. Laut krachend und wild zappelnd schlagen dicke und dünne fliegende Fische in unserer kleinen Welt auf und erschrecken die Besatzung mitunter gewaltig. Einer schafft es mit irrem Getöse bis unter unsere Solarpanele, die immerhin gut 3 Meter über der Wasseroberfläche verbaut sind. Ab und an schaffen wir es mit Handschuhen bewaffnet, die Bruchpiloten wieder ins Meer zu befördern — was bleibt ist ein beeindruckender olfaktorischer Aspekt, gegen den nur eine komplette Douglas-Filiale eine Chance hätte!

Drei Dinge sind elementar wichtig für uns: Erstens der Kiel, der verhindert, dass das Schiff kentert. Zweitens die Segel, die uns voran bringen. Und drittens die Pantry, die dafür sorgt, dass die Besatzung nicht meutert. Am leichtesten hat es der Kiel, der hängt einfach nur unten rum. Die Segel haben es in ihrem ewigen Kampf mit dem Wind schon schwerer. Am allerschwersten hat es aber die Pantry, bzw. deren Meisterin. Man kann sich das nicht vorstellen. Es ist ungefähr so, als ob Johann Lafer auf einem wild bockenden Maultier vier rohe Eier auf seiner zarten Nase jonglieren müsste – also schier unmöglich! Unsere Single-Pantry-Crew in Person von Mareike schafft das aber trotzdem ganz hervorragend. Es ist unglaublich aber wahr — Atlantikcatering vom Feinsten! Solchermaßen gut verpflegt können dann auch die Nächte in Angriff genommen werden.

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Kitchen-Stories on Sea
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In der Hochseebäckerei, gibts so manche Leckerei!

Diese haben ihren ganz eigenen Zauber – oder Schrecken, je nach Wetter und Stimmung der Crew. Zuviel Wind und fiese Wellen in einer Neumondnacht sind der reine Stress. Man sieht absolut nichts, hört es um sich herum rauschen, hat aber nur eine vage Idee woher die Wellen kommen. Und sollte dann doch mal was Großes im Wasser treiben ist man chancenlos. Es ist ungefähr wie Joggen in einer garantiert leeren und dunklen Turnhalle mit der Angst, dass dort doch noch ein Turnbock stehen könnte!

Von ganz anderem Kaliber sind die Nächte unter idealen Bedingungen. Man gleitet harmonisch über die See, bewundert den Sternenhimmel, der immer mal wieder eine Sternschnuppe dazu liefert und freut sich über den Mond, der bis zum endlosen Horizont alles in ein zauberhaftes Licht taucht. Als Zugabe läßt dann ab und an das fluorisierende Plankton die Bugwellen glitzern oder ein paar Delfine besuchen uns und gleiten ums Boot herum. Solche Nächte sind wahrlich ein magisch anmutendes Geschenk!

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When the night comes
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Schäfchenwolken bei Vollmond

In einer dieser besseren Nächte tönt an Stelle von Rauschen und Knartzen plötzlich "Verständliches" aus der Funke, was ungewöhnlich ist. Nicht weil unsere Funke nichts taugt, sondern mangels anderer Schiffe in Funkreichweite. Bis dahin (Tag acht) hatten wir nämlich absolut niemanden zu Gesicht bekommen – umso größer ist die Überraschung beim übernächtigten Skipper! Verstanden hat der aber erst mal nichts, da der Empfang noch etwa zu wünschen übrig lässt. Immerhin sind am Horizont jetzt drei kleine weiße Lichter zu sehen, vermutlich ein Frachter, mutmaßt der diensthabende Funkoffizier (= Skipper). Ca. fünf Minuten später erklingt dann unser Schiffsname klar verständlich aus der Funke und ein kleines Gespräch zwischen dem vermeintlichen Frachter und uns lockerte die Nacht auf.

Wie es das Schicksal so will, haben wir kurz darauf Wachwechsel. Die jetzt diensthabende Skipperin Mareike hat dann das Glück, nochmals vom vermeintlich großen Frachter angefunkt zu werden. Als erste Funkoffizierin mit deutlich besserer Reputation in Sachen Fremdsprachen, kann Mareike mehr Licht in die dunkle Funknacht bringen. Wie sich herausstellt, ist der vermeintliche Frachter ein 8 m langes Ruderboot, das von Simon Howes, einem unerschrockenen Engländer solo über den Atlantik gerudert wird. Zum Zeitpunkt unseres Aufeinandertreffens ist er schon unglaubliche 40 Tage unterwegs, da er direkt von den Kanaren aus gestartet ist. Da er nur mit 1,5 kn Speed unterwegs ist, verlieren wir ihn leider nach einiger Zeit wieder aus den Augen. Was wir zu dem Zeitpunkt noch nicht wissen: „Nur“ 32 Tage später werden wir ihn live direkt nach seiner Ankunft auf St. Lucia wiedersehen und bewundernd vor seinem Hochseeruderboot stehen. Mareike wird sogar die Gelegenheit haben, ein paar Sätze mit ihm und seiner Familie zu plaudern. Für alle die mehr über den wagemutigen Ruderer wissen möchen, hier der Link zu seiner Website: www.atlanticrower.com

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Simon Howes, der mutige Atlantik-Solo-Ruderer!
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Ein Ruderboot der etwas anderen Art

Und wer wissen möchte, ob wir jemals in der neuen Welt ankommen und was für eine Art von Teppichen und neuen Mitreisenden wir unterwegs finden werden, der darf sich schon auf die kommenden Folge freuen :-)

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Go West – solange die Sonne hinter uns aufgeht, stimmt der Kurs!
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