Ehrenrunde mit 40°
Da sind wir also wieder raus aus dem hübschen Fakarava. So gut es uns gefallen hat, ist es irgendwie auch immer wieder schön, unterwegs zu sein.
Die vor uns liegenden 280 Seemeilen sollten wir unter den angesagt günstigen Bedingungen in zwei Tagen schaffen. Zwei Tage! Unterdessen fühlt sich das fast schon wie eine Kurzstrecke an. Wir freuen uns riesig auf Tahiti und mit Papeete auf eine Stadt, in der aller Voraussicht nach all unsere Einkaufs-Träume wahr werden könnten :-) Die letzte Stadt mit einem vergleichbaren Angebot war Panama-City - vier Monate ist das fast her! Wir haben schon lauter Listen mit all unseren Wünschen geschrieben, ganz oben: ein neuer Außenbord-Motor für Fred.
So träumen wir die ersten Meilen dahin, Franz im Cockpit – Mareike gemütlich in der Koje.
Leider kippt die Stimmung schon nach wenigen Stunden. Mareike ist kalt. Sie holt sich Decken und misst Fieber. Die Hoffnung, dass es sich ja wohl nur um ein Missverständnis handeln kann – in der Südsee wird man doch nicht krank?! – zerschlägt sich nach 25 Meilen. Mareike hat über 40° Fieber! Skipper Franz entscheidet, dass wir unter diesen Umständen umkehren müssen. Weitere 48 Stunden auf See wären für Mareike in diesem Zustand eine Strapaze und für Franz brüll-anstrengend, weil er die gesamte Strecke quasi allein segeln müsste.
Noch haben wir die Möglichkeit mit einem halbwegs günstigen Windwinkel nach Fakarava zurück zu segeln. Also funken wir die Moana an, erklären Verena und Tim die Lage und drehen schweren Herzens ab. Moana verschwindet langsam aus unserem Sichtfeld. Es ist ein Mist! Wir sind super traurig, auch weil mit unserem Umkehren klar ist, dass wir es nicht mehr zu „Sailing Rendevous Tahiti-Moorea“ schaffen werden. Auf diese Regatta mit Kulturprogramm drumherum – bei der Menschen aus Tahiti auf den Yachten mitsegeln und wir im Gegenzug Rennen in Auslegerkanus fahren sollen – hatten wir uns seit Wochen gefreut.
Aber: Et es wie et es!
Da
segelt
uns die
Moana
davon
:-(
Franz segelt Holly zurück. Allerdings geht es nicht zum Südpass von Fakarava, durch den wir das Atoll verlassen haben, sondern in Richtung Nordpass. Dieser ist viel breiter, sogar kleinere Kreuzfahrtschiffe und das Versorgungsschiff passen durch. Dass wir es nicht vor Einbruch der Dunkelheit zum Pass schaffen ist nicht gerade ein Glücklichmacher, aber immerhin sollte das Timing passen, so dass wir ihn bei Stillwasser erreichen werden.
Ein wenig anstrengend wird es vorher noch, weil der von Segler:innen so geliebte Gegenwind zwischen Fakakarava und dem nördlichen gelegenen Atoll Toau ordentlich an Fahrt aufnimmt. Franz kreuzt tapfer gegenan. Die Einfahrt durch den Pass ist für den Skipper noch mal ein bisschen spannend. Wellen sind keine zu sehen, vorrangig weil es dunkel ist. So freut Franz sich, dass es immerhin eine beleuchtete Tonne am Durchgang gibt, an der er sich orientieren kann.
Schließlich gelangt Holly samt schwächelnder Crew wieder zum im Norden gelegenen Dorf Rotoava von Fakarava. Zum späten Ankermanöver kriecht Mareike nochmal aus der Koje, danach freuen wir uns auf eine ruhige Ankernacht. Was für ein Tag!
Ein bisschen fühlt es sich an, wie wenn man bei Monopoly zurück auf „Los“ muss, ohne vorher 4000 Euro zu bekommen. Entsprechend geknickt ist die Stimmung die nächsten Tage. Es ist Wochenende, Mareike hat hohes Fieber und das medizinische Zentrum des Dorfes ist geschlossen. Toll ist, dass sich befreundete Crews melden, fragen, ob wir Medikamente brauchen und einen Dinghy-Shuttle für Montag anbieten. Und so geht es nach dem Wochenende an Land zum medizinischen Zentrum. Obwohl es Mareike dank Antibiotikum unterdessen ein wenig besser geht, hätten wir doch gerne, dass jemand vom Fach mal „draufschaut“, bevor wir wieder nach Tahiti aufbrechen.
Wie überall in Französisch Polynesien geht es auch vor dem Medizinischen Zentrum gelassen und fröhlich zu. Eine bunte Gruppe von Menschen sitzt auf Bänken vor dem Gebäude im Schatten, steht an, um Medikamente zu holen, Kinder spielen, man unterhält sich munter und darf vor allem mal wieder eins trainieren: Abwarten. Ungeduldig ist hier niemand. Das ist schon recht beeindruckend, weil die Behandlungsdauer pro Patient:in gefühlt bis zu einer Stunde dauert. Und so sitzt Mareike vier Stunden, bis sie an der Reihe ist. Kaum in Inneren des Gebäudes angekommen, wird deutlich, warum man so lange warten muss. Neben einer Assistentin, die die Anmeldung betreut, wird der ganze Laden von einer bezaubernden Krankenschwester in Schwung gehalten. Sie ist so voller Anteilnahme, dass Mareike ob der anstrengenden vergangenen Tage erstmal in Tränen ausbricht. Das ist auch kein Problem, im Gesundheitszentrum von Fakarava ist Zeit und Raum für alles. Nachdem es also als erstes ein bisschen Psychohygiene gab, findet eine mehr oder weniger ausführliche Untersuchung statt. Es wird hin und her überlegt, Malaria, Dengue oder Corona siegessicher ausgeschlossen, Beschwerden diskutiert und die zuständige Ärztin in Tahiti per Telefon befragt. Parallel versucht die Krankenschwester, den PC zum Laufen zu bringen, sucht Medikamente zusammen, füllt Formulare aus und verbreitet vor allem gute Stimmung. Nach einer Stunde wird Mareike mit einer weiteren Packung Antibiotikum und Paracetamol entlassen. Die vermeintliche Diagnose passt am Ende nicht wirklich zu den Beschwerden, aber immerhin war der Besuch stimmungsaufhellend und komplett kostenlos, Medikamente inklusive.
Da der Wind am nächsten Tag drehen soll, beschließen wir, uns noch am gleichen Tag wieder auf den Weg nach Hirifa in den Süden des Atolls zu machen. Bei unserem ersten Besuch vom Dorf Rotoava haben wir schon einmal die Erfahrung machen müssen, dass die Welle, die sich quer durch´s Atoll aufbaut nicht zu unterschätzen und extrem ungemütlich ist.
Nach der langen Wartezeit im Gesundheitszentrum, ist es nicht mehr möglich, im Hellen im Süden anzukommen. Da wir die Strecke aber schon zweimal absolviert haben, ist Franz siegessicher, die 30 sm auch im Dunklen durch´s Atoll zu schaffen. Und er behält Recht, jippieh! Eine besonders spannende Erfahrung ist die, das die sogenannte „Eyeball-Navigation“ auch bei Vollmond funktioniert: die Riffe entlang der Route leuchten im Mondlicht sehr mystisch und warnen so spektakulär vor ungewolltem Kontakt. Auch wenn es in der Bucht nicht gerade leer ist, gelingt das Ankermanöver bei Nacht wieder gut.
Nun haben wir in Hirifa drei Tage Zeit, durchzuatmen.
Rückblickend war es die richtige Entscheidung, die Passage nach Tahiti nicht fortzusetzen. Wir haben das erste Mal erlebt, wie es sich anfühlt, wenn einer von uns fernab von Infrastruktur, wie wir sie in Europa kennen, ernsthaft krank wird. Glücklicherweise haben wir in unserer Familie eine Ärztin und einen Arzt, die uns mal wieder ganz toll aus der Ferne beraten haben. Danke Wiebke und Öschi!!!!!! Und wir sind froh über all die Medikamente, die wir inzwischen fast um den halben Globus gesegelt haben, mit denen wir das eine oder andere gesundheitliche Übel abwettern können.
Noch bevor Mareike ganz über den Berg ist, entscheiden wir bei sehr ruhigen Bedingungen nach Tahiti aufzubrechen. Wir sehnen uns nach einer großen Insel, nach Stadt, nach ein bisschen Sicherheit im Fall der Fälle. Und so geht es eine Woche nach dem ersten Versuch erneut raus durch Fakaravas spannenden Südpass. Tahiti wir kommen!