Feiertage, die auf einen Sonntag fallen, werden an dem darauffolgenden Montag gefeiert!

So ist das mit den Feiertagen auf St. Lucia (gesprochen: San Luscha), eine der sogenannten „Inseln über dem Wind“. Eine sehr weise Regelung, wie wir finden! Der Duktus dieser Gesetzgebung spiegelt auch sehr treffend den Charakter der Bewohner wieder: Überwiegend tiefenentspannt! Das Gen, dass beim Mitteleuropäer zuverlässig Stress auslöst, scheint in der hiesigen DNA zu fehlen. Dafür scheint das Kommunikations-Gen doppelt vorhanden zu sein. Alle rufen und gestikulieren gerne wild durcheinander – und zwar mit bemerkenswert kräftigen Stimmen. Die Stimmbänder der Inselbewohner scheinen ungefähr die doppelte Wattzahl zu haben, als die eines Europäers.
Unser erster Ankerspot in St. Lucia ist die Rodney Bay im Norden der Insel. Im Norden, neben „Pigeon Island“ finden wir schließlich ein geschütztes Plätzchen. Auch hier schaut ab und an mal eine Schildkröte aus dem Wasser, um zu schauen ob es uns auch gut geht. Die nahe Marina beehren wir am Freitag nach unserer Ankunft, um in St. Lucia einzuklarieren. Dort treffen wir auch Andy und Jo von der „Stargazer“ wieder. Die überaus sympathischen Briten hatten in Mindelo unsere Leinen zur Atlantiküberquerung losgeworfen. Nach nur einer Nacht flüchten wir nach dem Einklarieren und einem gebuchten Kran-Termin für Holly wieder in die nahe Ankerbucht.


Aus den dort liegenden Jachten sticht eine Jacht besonders hervor: „El Oro“. Diese Schönheit ist 70 Fuß (ca 22 m) lang und als Ketch getakelt (zwei Masten!). Gemeinsam mit unserer „Holly“ hat sie, was die Aufbauten betrifft, einen recht hohen Holzanteil. Dass sogar ihr blauer Rumpf komplett aus Holz besteht, sollten wir wenig später noch ganz aus der Nähe erfahren dürfen denn: Unser erster Besuch bei „Joe´s Grill & Chill“ hat Folgen! Kaum nähern wir uns der bunten Bar, werden wir von einer lustigen Truppe angesprochen und eingeladen.
Es ist die Besatzung der „El Oro“. Acht Seefrauen und Seemänner aus Australien und Großbritanien bilden die Besatzung dieser traumhaften Jacht. Das verblüffende: Der Eigner hat Mathilda und Richard das Boot kostenlos zur Verfügung gestellt, im Gegenzug überführen sie es für ihn ins Mittelmeer. Dieser überaus nette Abend geht dann später auf „El Oro“ weiter. Es wird viel geredet und gelacht und wir bewundern das mondäne Innere dieser einzigartigen Jacht, die 1974 komplett aus Holz gebaut wurde. Ihr Schwesterschiff, die „Kriter“ belegte beim ersten „Whitbread around the World Race“, dem Vorläufer des aktuellen „Ocean Race“, den vierten Platz. Der Erstbesitzer und Erbauer der „El Oro“ war übrigens Baron Bich – der Gründer der Firma BIC, welche den berühmten durchsichtigen Einwegkugelschreiber und das bekannte Einwegfeuerzeug erfunden hat. Wir finden es außerordentlich skurril, dass jemand der die Welt mit Milliarden von Einwegplastikkugelschreibern und Einwegfeuerzeugen „beglückt“ hat, ein so schönes Holzschiff hat bauen lassen!


Bei einem Sonntags-Ausflug zu „Joe´s Grill & Chill“ beobachten wir interessiert das Treiben vor und in der netten Bar. Je später der Abend, umso mehr aufgemotzte Autos rollen mit lauter Musik an der Bar vorbei. Das ganze erinnert schon ein wenig an den Bohlweg in Braunschweig oder den Parkplatz am Salzgittersee. Allerdings tönt hier Reggae & Pop nicht nur aus bassgewaltigen Soundanlagen in den breit besohlten Showcars – nein hier werden gleich ganze Boxentürme auf den Autodächern oder den Ladeflächen der Pickups aufgebaut!
Und et kütt wie et kütt: Der weitläufige Parkplatz mutiert zu einer Art Musik-Arena. Abwechselnd ertönt aus verschiedenen Ecken ein gewaltiger Sound, der jedem kleineren Open-Air-Festival zu Ehre gereichen würde. Und kein Song wird ausgespielt; es werden immer nur die ca. ersten 30 Sekunden angespielt, dann ertönt schon eine akustischer Gegenschlag aus einem anderen Boxenturm.
Wir finden das alles höchst spannend! Die Stimmung auf dem Platz ist bestens und alle haben einen Mords-Spaß!! Die spontane Road-Show dauert bis Mitternacht und beschallte die komplette Bucht. Irgendwann mischt sich dann der lokale Wettergott ein, der vermutlich auch ein wenig Ruhe braucht und spült den gewaltigen Soundteppich mit einem Regenguss davon. So ganz traurig sind wir über diese Entwicklung dann doch nicht ;-)




Am Donnerstag darauf ist es dann soweit: „Holly Golightly“ macht mal wieder einen Landausflug. Diesmal mit einem Portalkran, bedient von dem nettesten Team der Karibik. Lässig und bestens gelaunt heben sie unser Bötchen aus dem Wasser und stellen es so vorsichtig, als wäre es ein rohes Ei, zwischen vielen anderen, temporär gestrandeten Jachten ab.
Nun beginnt unser Wettlauf gegen die Zeit! Wir haben nur bis 16:00 Uhr Zeit, um den Job zu erledigen, ansonsten müssen wir zwei Tage bezahlen, was viel teurer ist. Also: Propeller ab, neue Opferanode montieren, Propeller wieder drauf! Klingt einfach und ist es dann auch! Die acht dicken und dünnen Schrauben lassen sich super lösen, die Anode passt und wir schaffen es in der vorhandenen Zeit sogar das Unterwasserschiff reinigen zu lassen und das Antifouling zu überarbeiten. Mareike muss zwischendurch zweimal zum hiesigen „Ohlendorf“, um passende Schrauben zu besorgen. Trotz der weit über 30° Grad auf dem Dockgelände und der nicht eingeplanten Rennerei, schaffen wir es sogar bis 15:00 Uhr fertig zu sein! Eine Stunde zu früh – typisch deutsch aber hurra, das Team Holly hat 100 Punkte!!


In Hafennähe befindet sich der erwähnte „Ohlendorf“ (allen Braunschweigern ein Begriff). Für Nichtbraunschweiger: eine Art Minibaumarkt, in dem man von der Schraube bis zum Klodeckel alles bekommt, was der moderne Haushalt an Hardware benötigt, um reibungslos zu funktionieren.
Der Karibik-Ohlendorf ist im wahrsten Sinne des Wortes – wie das Original in BS – der Hammer! Es gibt verschiedene Miniabteilungen, die jeweils von einer separaten Verkaufskraft betreut werden. Es gibt also jeweils eine Fachfrau oder einen Fachmann für: Werkzeug, Schrauben, Beschläge, Autozubehör, Kabel und Elektrik, Garten, Bootsbedarf, Angelbedarf, Schlüssel, Farben, …
Insgesamt zählen wir 15 Bedienungen auf einer Etage - bei gefühlt fünf bis sechs Kunden. Alles in allem herrscht eine extrem ruhige Atmosphäre, man vernetzt sich über privates zickzack quer durch das Geschäft und vergleicht Stoffmuster für die nächste Bluse – die Antipode zu jeglichem Burnout!


In die Kategorie der entspannten Dienstleister gehört auch Gregory, der ab und an mit seinem schwimmenden Supermarkt zu uns kommt und sehr liebenswürdig Obst, Gemüse, Rumpunsch oder von seiner Tochter hergestellte Kokos-Schokolade anbietet, die absolut köstlich ist und vielleicht eine Idee für unseren heimischen Weihnachtsmarktstand wäre: Gregorys-Tochter-Saint Lucia-Karibik-Kokos-Schokoladen-Stücke – oder so ähnlich :-)
