Kirchgang im Paradies
Pünktlich wie die deutsche Bahn kommen wir in der weitläufigen Somosomo Bay der Insel Naviti an. Unmittelbar vor der Bucht haben wir noch versucht einigen heftigen Regenschauern auszuweichen. Originell war, dass man Regen und „Nicht-Regen“ äußerst präzise auf der Wasseroberfläche „ablesen“ konnte. Der Versuch im „Nicht Regen“ zu bleiben führte zu ein paar ulkigen Kringeln im Track, u.a. auch mal ein paar hundert Meter zurück – zu 80% hat es dann sogar geklappt dem frischen Nass auszuweichen.
Moana und Loveworkx sind schon da und wir suchen uns ein schönes Plätzchen in der Nähe unserer Freunde. Ankerwinsch und Steuerung versehen ihren Dienst als wäre nichts gewesen und wir liegen kurze Zeit später wieder sicher vor Anker. Das kleine, schwimmende holländisch-deutsche Dorf ist somit wieder vereint.
Da unser maritimer Parkplatz zu dem kleinen Dorf Somosomo gehört, ist mal wieder „Sevusevu“ angesagt. Wir machen uns also schick, packen frisches Kava unter die Arme und starten – wie traditionell üblich – dem Chief des Dorfes unsere Aufwartung zu machen. Am Strand werden wir schon freudig von der Dorfjugend erwartet und wild gestikulierend wird visualisiert, wo wir am besten mit unserem Beiboot durch das vorgelagerte Riff kommen. Ohne Grundberührung am Beach angekommen, hilft man uns mit vollem Einsatz das Dingi auf den selbigen zu ziehen. Die kleinsten Insulaner springen sofort ohne Scheu in unsere Boote und haben sichtlich Spaß dabei.
Wir fragen nach dem Chef vom Ganzen und werden zu einem kleinen, bunten Haus geleitet in dem der Chief von Somosomo residiert. Er und sein Assistent, der auch ein wenig Englisch kann, sitzen uns gegenüber, freuen sich über die Kava-Gabe und stellen interessierte Fragen über unser woher und wohin.
Eine Frage, die besonders interessiert ist, ob der Skipper der Holly nun Mann oder Frau sei? Das scheint eindeutig an der etwas aus dem Ruder gelaufenen Haarlänge des selbigen zu liegen – Männer mit langen Haaren scheinen hier völlig exotisch. Und das, wo die meisten Männer hier ganz selbstverständlich Röcke tragen!
Nachdem die Geschlechtsfrage glaubhaft geklärte ist und wir uns alle einzeln vorgestellt haben, wird noch um eine kleine Spende für die Infrastruktur des Dorfes gebeten, die wir gerne entrichten. Zum Abschluss gibt es eine Art Segen für uns alle und wir dürfen nun Land und Leuten offiziell auf die Pelle rücken.
Den Anfang machen wir mit einem kleinen Dorfrundgang. Die Häuser sind sehr einfach und die Lebensbedingungen wohl auch. Es gibt jedoch Wasser im Überfluss und ein wenig Strom ebenfalls – hier und dort sogar Solarzellen! Das Dorf wirkt sehr aufgeräumt und man hat den Eindruck, dass die Bewohner sich hier wohl fühlen und sehr auf den Zustand ihres Zuhauses achten.
Als wir Abends wieder an Bord sind, wird die Bucht von lautem Gesang aus dem Dorf beschallt. Der örtlich Gospelchor scheint sich ins Zeug zu legen und nach und nach wird klar, dass es sich um einen abendlichen Gottesdienst handeln muss. Er besteht offensichtlich aus sehr viel Gesang und ab und an einer intensiven Predigt. Das müsste man live erleben, denken wir und ahnen noch nicht, dass uns diese Privileg noch zu Teil sein wird.
Am nächsten Tag ist Markttag! Die Frauen von Somosomo haben ein paar Decken ausgebreitet und bieten allerlei buntes Kunsthandwerk zum Kauf an. Ketten, Armbänder, Halsbänder, Malereien, Decken, Tücher, Muscheln und, und, und … Die Crews einiger anderer Yachten sind dazugestoßen und so entwickelt sich ein richtig kleines Markttreiben. Auch wir kaufen ein paar hübsche Dinge und die Verkäuferinnen freuen sich über den willkommenen Haushaltszuschuss.
Bei unserem erneuten Rundgang entdecken wir am nahen Dorfrand ein großzügiges medizinisches Zentrum, dass laut großem Werbeschild täglich geöffnet hat – laut der Bewohner aber leider schon länger geschlossen ist.
Am nahen Dorfrand waten wir durch einen flachen Fluss mit Sandbänken und Millionen von kleinen Krabben, deren eine Schere auffällig groß und rot ist. Die Mini-Krabben flitzen aufgeregt über den weißen Sand, um Schutz in winzigen Löchern zu finden. Ist ihnen das gelungen, schaut nur noch die eine große, rote Schere heraus und macht uns mächtig Angst ;-)
Der Strand, den wir dann erreichen, ist atemberaubend schön. Kristallklares Wasser, feinster Sand und Palmen am Ufer – an vielen anderen Orten auf dem Planeten hätte man hier schon längst alles mit Bettenburgen veredelt und in der Bucht lägen täglich Superyachten und Kreuzfahrtschiffe. Wir sind hier allerdings völlig alleine – nur ein kleiner Junge aus dem Dorf begleitet uns neugierig und mutig auf unserem Spaziergang.
Wieder im Dorfzentrum angekommen, erkundigen wir uns nach dem Gottesdienst und werden sogleich eingeladen unbedingt zu kommen und zu Gast zu sein – so ist das Abendprogramm auch schon wieder geklärt. Wir fühlen uns hier alles in allem sehr willkommen und haben das Gefühl, dass die Menschen es als Wertschätzung empfinden, dass wir den Weg zu ihnen gefunden haben – wir haben also anscheinend so etwas wie die Antipode zu Berlin entdeckt!
Nach Einbruch der Dunkelheit machen wir uns also auf den Wasserweg zum abendlichen Kirchgang. Wieder begleiten uns ein paar neugierige Kinder durch das anheimelnd beleuchtete Dorf zur kleinen Kirche. Der Gottesdienst hat noch nicht begonnen aber in den heiligen Hallen herrscht schon rege Betriebsamkeit. Auf einer Art Bühne läuft der Chor warm und es wird geräumt und beredet. Die Atmosphäre ist extrem locker und entspannt. Das bleibt auch so als der offizielle Teil beginnt. Der Chor singt, der Pfarrer predigt, vor der Bühne spielen Kinder und der ein oder andere erwachsene Besucher kommt oder geht. Die Predigt wir immer wieder von euphorischen Halleluja!-Rufen begleitet und der Vertreter Gottes nimmt langsam aber sicher Fahrt auf.
Währenddessen bekommen wir überraschend ein Heft gereicht, in die wir unseren und den Namen des jeweiligen Bootes eintragen sollen. Kurze Zeit später werden wir dann tatsächlich vom Pfarrer von der Kanzel herab namentlich begrüßt und herzlich willkommen geheißen! Wenn wir es richtig verstehen, sind wir nun gesegnet und Teil der Gemeinde! Soviel Gastfreundschaft rührt uns sehr – was für ein Kontrast zu der „Willkommenskultur“ vieler anderer Staaten auf diesem Planeten.
Gottes Stellvertreter ist mittlerweile zur Höchstform aufgelaufen und predigt mit vollem Einsatz. Wir haben ein wenig Angst um ihn aber die göttliche Energie scheint unbegrenzt – dem Chor sei Dank hat er zwischendurch die ein oder andere Verschnaufpause.
Während all dem herrscht im Kirchenraum eine sehr lockere Stimmung. Eine gewisse Fluktuation an Besuchern scheint normal und auch die ein oder andere kurze Unterhaltung scheint ok zu sein – ganz anders als wir es aus deutschen Gotteshäusern gewohnt sind. Zum Schluss geben sich alle Gemeindemitglieder noch mal die Hand – auch uns – und dann ist die bunte Zusammenkunft offiziell beendet.
Auf dem Rückweg durchs Dorf wird Franz von einem Jungen an die Hand genommen und so bis zum Dingi begleitet – die Herzlichkeit der Menschen hier ist, wie so oft in der Südsee, wirklich sehr berührend!
Unser Rückweg zu Holly Golightly wird dann noch ein wenig spannend, da wir im stockdunklen ein wenig orientierungslos über und durch das Riff manövrieren. Mit hochgeklapptem Außenborder und rudernd rutschen wir über das stellenweise nur knöcheltiefe Riff, was aber Dank total ruhigem Wasser dann doch irgendwie klappt.
Mit etwas Wehmut im Herzen verlassen wir schon am kommenden Tag wieder die Bucht und „unser“ Dorf. Es zieht uns mal wieder weiter – ein Pass in dem man mit Mantas schnorcheln kann lockt uns sehr.