Nadelöhr und Zwangspause im Paradies
Nach Maupiti - ja oder nein? Das kleine Atoll westlich von Bora Bora soll eines der schönsten der „Inseln unter dem Winde“ sein. Trotzdem ist es unter Seglern und Seglerinnen auch berühmt-berüchtigt. Das liegt – mal wieder – an der schwierigen Zufahrt ins Paradies, dem im Süden gelegenen Onoiau-Pass. Durch diesen muss man durch, wenn man einen der zauberhaften Ankerplätze im Inneren erreichen will. Der Onoiau-Pass ist ungeschützt gegen aus Süd und Südwest heran rollende Wellen, die sich aufgrund des Riffs zu einer spektakulären Brandung aufbauen können. Zudem hat der der Onoiau-Pass mit nur 75 Metern eine Breite, die für Mareike deutlich unterhalb ihres Komfortbereichs liegt. Um die Durchfahrt zu wagen, braucht man ruhige Wetterbedingungen, auf die wir geduldig gewartet haben. (Gefühlt ist mindestens das halbe Langfahrer:innen-Leben dominiert von Abwarten … aber das ist eine andere Geschichte :-)

Am 14. August geht es also zusammen mit der Lady Jane raus aus dem Atoll von Bora Bora in Richtung Maupiti. Trotz quasi nicht vorhandenem Wind und einer Dünung von nur ungefähr 1,60 Meter sieht man schon von weitem die gewaltige Brandung am Außenriff. Wir haben mal wieder Glück, denn Jürgen und Kerstin wagen mit ihrem deutlich größeren Schiff als erstes die Durchfahrt, Franz steuert mutig hinterher. Mareikes Nervenkostüm schlittert an der Kante, deshalb verzieht sie sich unter Deck. Wir haben festgestellt, dass dies manchmal bis hin zu öfter die beste Lösung für alle Gemüter ist – Franz kann so in Ruhe durch Riff-Einfahrten aller Art fahren. Mareikes Leidenschaften liegen diametral entgegengesetzt. Das Spektakel von Brandung rechts und links der Fahrrinne sowie die whirlpoolartigen Strömungen mittendrin sind einfach nicht ihr Ding. Kaum sind wir an der Brandungszone vorbei, verkündet der Skipper den Erfolg und Mareike ist happy.

Was wir dann sehen, gab es bisher in noch keinem Atoll! Das Wasser im Pass ist kristallklar, so dass man bis auf den Grund sehen kann. Rechts und links liegen zauberhafte "Motus", die den Atoll-Ring bilden. In der Mitte erhebt sich die Hauptinsel mit ihrem 372 m hohen Berg Teurafaatui. An Schönheit ist Maupiti definitiv nicht zu übertreffen. Kaum zu glauben, dass es hier nicht ein Hotel oder eine größere Ferienanlage gibt. Auf den Motus verteilen sich nur einige kleine Pensionen – trotzdem hat man das Gefühl fast alleine im Paradies zu sein.
Franz steuert uns zickzack um all die Untiefen und Korallen-Bommies herum zu dem im Osten gelegenen Ankerplatz. Es ist großartig und paradiesisch! Wir ankern wieder entspannt auf nur ungefähr acht Metern Sandboden. Es ist genug Platz für die etwa zehn vor Anker liegenden Schiffe, so dass man keine Sorge haben muss, sich zu nahe zu kommen. Bruna und Nicklas von der Mindelo sind auch da, das freut uns riesig! Wir springen ins Wasser und sind selig!


Voller Magie steckt die Legende über die Entstehungsgeschichte der Insel. Die benachbarten Inseln Raiatea und Tahaa sollen einst voller Eifersucht auf die Schönheit Maupitis gewesen sein.
So haben die Schwesterninseln das kleine Eiland verscheucht, um nicht mehr von deren Schönheit geblendet zu werden.
Das kleine große „Aber“ an der Idylle ist jedoch folgendes: Wenn wir nicht schon am nächsten Tag wieder rausfahren aus dem dollen Pass von Maupiti, ist die „Tür“ für mindestens eine Woche zu! Der angekündigte Wind und Wellengang wird eine Durchfahrt unmöglich machen. Ehrlich gesagt sind wir uns schnell einig, dass wir dieses hübsche Plätzchen nicht gleich wieder verlassen wollen und entscheiden uns zu bleiben. Am nächsten Tag gibt es noch einen letzten „Bettenwechsel“ am Ankerplatz. Die Mindelo und die Oda fahren raus und vier neue Schiffe kommen rein. Danach ändert sich erstmal nix mehr. Und so entsteht eine Maupiti-Bubble. Wie das inzwischen so üblich ist, kreiert sofort jemand eine WhatsApp-Gruppe, in der alle Ankerlieger vereint sind. Es ist ein schönes Gefühl, endlich mal nicht andauernd auf das Wetter zu schauen zu müssen und für eine etwas längere Zeit in einer festen „Nachbarschaft“ zu sein.







Da wir es ja nun nicht eilig haben, lassen wir es entspannt angehen. Erst mal steht "Chillen" ganz oben auf der ToDo-Liste. So fließen die Tage dahin, wie die sanfte Strömung in der weiten blauen Bucht. Abends treffen wir uns mit den anderen Crews auf dem Strand, halten viele Schwätzchen und genießen die mitgenommenen Sundowner an einem kleinen Feuer. Touristische Infrastruktur ist hier Mangelware, was für uns überhaupt nicht nachvollziehbar ist. Wäre Maupiti im Mittelmeer gäbe es hier Hotels, Bars und Restaurants im Überfluss. Gott sei Dank ist das nicht der Fall und so haben wir die Insel nicht für uns alleine, aber die Anzahl der Co-Chiller hält sich in erfreulich kleinen Grenzen. Wir umrunden die kleine Insel einmal zu Fuß, einmal per Fahrrad und ein weiteres Mal (fast) mit Dingi Fred. Am Wegesrand (es gibt nur die eine Straße "einmal rum") sammeln wir Mangos so viele wie wir tragen können, schlecken Eis (köstlich!) oder kehren in das einzige Restaurant der Insel ein, um zufällig eine Feier der Locals zu erleben, die Mittags beginnt und nie endet.





Ein Problem auf Maupiti ist die Versorgung mit Barem. Der Finanzsektor der Insel liegt direkt neben der Kirche und besteht aus der Post und genau einem Geldautomaten, der jedoch auch überwiegend im Chillout-Modus agiert – will heißen: Et kütt nix raus! So sind wir längere Zeit knapp bei Kasse, da man in den kleinen lokalen Läden selten mit Karte zahlen kann. Geduldig stehen wir also an der kleinen Post mit dem temporär insolventen Teil der 1200 Inselbewohner in der Hoffnung an, dass der Beamte im Inneren evtl. noch über Bares verfügt. Aber alles Warten ist vergeblich, die lokalen Geldreserven sind erschöpft! Der "Großeinkauf" muss also wieder auf später verschoben werden.


Einer unserer Höhepunkte ist im wahrsten Sinne des Wortes die Besteigung des 380 m hohen, zentralen Mont Teʻurafaʻatiu, auch Nuupure genannt. Ein steiler, teilweise mit Tauen gesicherter Klettersteig führt hinauf und bringt uns gewaltig ins Schwitzen. Um die 30 Grad im Schatten, verbunden mit der tropischen Luftfeuchtigkeit sind für uns "Seeratten" schon eine echte Herausforderung. Auf dem Gipfel der Transpiration angekommen, genießen wir die grandiose Aussicht über das Außenriff und den weiten Pazifik, der weit draußen allerlei weiße Schaumkronen präsentiert und somit seinem Namen momentan nicht so ganz gerecht wird. Umso mehr freuen wir uns hier innerhalb des geschützten Riffs zu liegen! Unsere Bötchen sehen von hier oben ganz winzig aus verglichen mit der schier endlosen Weite der See. Der Abstieg vom Gipfel gelingt dank Schwerkraft etwas einfacher. Unten angekomemn freuen wir uns erst mal auf eine kühlen Drink.






Beim Besuch eines der umliegenden Motus (so nennt man die umliegenden, flachen Inseln, die sich auf den Riffen bilden) finden wir gleich vier neue Freunde, die uns freudig und gut gelaunt begleiten. Einer ist schon etwas erwachsener, die anderen drei noch grün hinter den (Hunde)ohren. Der kleinste der Bande weilt wohl erst ein paar Wochen auf der Hundewelt – ist aber schon ausgesprochen abenteuerlustig. Die lustige Viererbande weicht uns nicht mehr von der Seite. Als wir wieder zu Holly zurück wollen, wird das zum Problem. Wir motoren mit unserem Dingi vom Strand hinaus in die Lagune und die Vier paddeln eifrig hinterher. Nun bekommen wir es mit der Angst zu tun und befürchten, dass die kleinen Streuner zu Fischfutter werden könnten. Also drehen wir um und fahren mit Fred wieder zum Strand zurück. Sogleich ändern auch die Seehunde ihren Kurs Richtung Festland. Kurz darauf kreuzen zwei Paddler unseren Weg, die am Strand langpaddeln und übernehmen unfreiwillig die Hundebande. Später beobachten wir erleichtert, dass alle wieder festen Sand unter den Pfoten haben und kehren erleichtert ohne Verfolger zu unserem schwimmenden Heim zurück.




Nach und nach stellt sich heraus, dass es nicht nur bei einer Woche Maupiti bleiben wird … der Wind nimmt nicht ab, sondern eher zu und der Schwell wird den Pass für uns noch ein paar Tage länger unpassierbar machen.
Also beschäftigt Mareike mal wieder das gute, altbekannte Thema Proviant. Sowohl auf Raiatea als auch auf Bora Bora hatten wir die Vorräte immer wieder etwas aufgefüllt. Wir haben grob kalkuliert, wie lange wir noch auf den Gesellschaftsinseln sein wollen, bevor es Richtung Tonga gehen soll. Die Idee nach Maupiti zu segeln war relativ spontan – dass die Abreise nach Tonga sich derart verzögert, nicht wirklich eingeplant. Die Passage nach Tonga kann je nach Kurs bis zu 10 Tagen dauern. Zudem diskutieren wir, bei Bedarf noch einen Stop in Suwarrow einzulegen. Dort kann man sich vor schlechtem Wetter verkriechen, aber es gibt „nur“ ein Ranger-Pärchen und keinerlei Versorgungsmöglichkeiten. Im Gegenteil, die Ranger freuen sich, wenn man ihnen Lebensmittel mitbringt.


Wie schon beschrieben stellt sich heraus, dass der einzige Geldautomat auf Maupiti den Dienst versagt. Unser letztes Bargeld benötigen wir für zwei Kanister Diesel. Dank der freundlichen Anker-Community können wir uns aber noch zusätzlich Bargeld zusammen leihen, da wir gerne noch etwas frisches Obst und Gemüse erstehen möchten. Es gibt zwei, drei Miniatur-Lebensmittel-Lädchen, die dadurch bestechen, dass man am Tresen bestellen muss. Glücklicherweise kann man dort – was nicht überall üblich ist – sogar mit Karte bezahlen. Mareike kramt tapfer in ihrem Französisch-Halbwissen, um zum Ziel zu kommen. Allerdings sind einige Wünsche nicht erfüllbar. Da der Pass nach Maupiti nun bereits länger unpassierbar ist, konnte auch das Versorgungsschiff nicht kommen. So gibt es kein Mehl, keinen Reis und auch allerlei Anderes ist rar.

Obst kann man in keinem der Geschäfte finden. Da alles was das Herz begehrt in den Gärten der BewohnerInnen von Maupiti wächst, macht es für die Leute vor Ort keinen Sinn, es auch im Laden anzubieten. Als Touristin steht man also erstmal ein wenig verloren da und fragt sich, wie man an etwas vitaminhaltige Kost kommen kann. Wir machen also eine weitere Tour um die Insel und fragen hier und da, ob wir die Mangos, die unter Bäumen liegen, einsammeln dürfen. Vor einer Tür liegen tatsächlich auch noch Bananen zum Verkauf. Unser Geld reicht für eine "Hand". Als die freundliche Frau, die sie verkauft, uns zwei weitere anbietet, geben wir ihr zu verstehen, dass wir dafür leider nicht genug Geld haben. Kurzerhand gibt sie sie uns einfach so mit. Super glücklich ziehen wir mit unserer Obst-Beute zurück auf´s Schiff.
Dank Adrien, einem Crew-Mitglied auf der Andante, werden alle nochmal mit frischem Gemüse versorgt. Zur Auswahl stehen Aubergine, Salatgurke und Mini-Paprika - wenn das nichts ist!
Nun sind wir so gut versorgt, dass wir locker bis Tonga satt bleiben :-)




