Next Stop Santa Marta
Wer auf dem kolumbianischen Festland längere Strecken zurücklegen will und über kein eigenes Auto verfügt, kann entweder mit dem Flieger oder mit dem Fernbus reisen. Die Bahn scheidet leider mangels Existenz aus. Da wir beschlossen haben einen Landausflug nach Santa Marta und nach Minka zu machen, was beides für kolumbianische Verhältnisse „um die Ecke“ ist, entscheiden wir uns für die Variante „Fernbus“. Holly wird solange sicher in der Marina Club Nautico in Cartagena geparkt.
Nun muss nur noch ein Ticket her. Dies gibts natürlich online. Nachdem die tapfere Mareike auf der Website des Busbetreibers „Brasilia“ tatsächlich erfolgreich zwei Tickets geordert hat, aus denen dann auf wunderliche Art und Weise sogar vier Tickets werden, kann’s los gehen.




Nun ist es nicht so, dass ein Fernbus in Cartagena an jeder Straßenecke hält. Wir müssen erst einmal zum natürlich unzentral, vor den Toren der Stadt gelegenen zentralen Busbahnhof. Leider gelingt uns die Taxifahrt dorthin nur bedingt. Wir kommen zwar früh genug an und das Taxi ist auch angenehm klimatisiert aber leider zahlen wir einen viel zu hohen Preis. Die Rückfahrt wird übrigens nur ein Fünftel kosten – dazu später mehr.


Über beispielsweise 15 Minuten Verspätung würde sich hier in Kolumbien übrigens niemand auch nur ein wenig aufregen. Abfahrtzeit 11:00 Uhr bedeutet, dass der Bus ab 11 Uhr startet und alle sind froh, wenn er dann irgendwann losfährt! Die Diskussionen in Deutschland über unpünktliche Züge erscheinen einem hier irgendwie seltsam und weit, weit weg.
So sitzen wir nach 11 Uhr im vollklimatisierten und recht komfortablen Fernbus Richtung Santa Marta. Neben WC und großen Displays, auf denen (laute) Kinofilme präsentiert werden, gibts sogar WiFi im Bus!
Zur Pflichtausstattung aller kolumbianischen Fernbusse gehört eine für alle sichtbare Geschwindigkeitsanzeige (groß, rot und digital) und eine akustische Meldung (lauter Piepton) bezüglich des Sicherheitsabstandes zum Fahrzeug voraus. Das ist wirklich großartig, denn so können alle Passagiere ständig sehen, dass wir fast immer zu schnell sind und hören, dass wir fast immer zu dicht auffahren! Wir reisen also mit Abstandstinitus und fast konstanter Geschwindigkeitsüberschreitung dynamisch Richtung Santa Marta.
Ab dem Start werden wir über die Video- und Soundanlage mit einem Märchenfilm a la Walt Disney beglückt – schließlich sitzen auch einige Kinder im Bus. Nachdem die schwarzhaarige Prinzessin ein Stunde lang über den Monitor geschwebt ist, wechselt das Genre abrupt und eine Dauerprügelei entbrennt auf dem Screen. Die Kinder sind übrigens immer noch im Bus! Nach rund 539 Ahhhs, Öhhhs, Urghhhs, Umpfs und Krachbumms ist der anspruchsvolle Streifen zu Ende und wird von 624 Pengs, Bumms, Zischs und Rumms abgelöst – und ja, die Kinder sind immer noch an Bord! Nachdem die letzte mediale Explosion endlich verpufft ist, haben wir auch Santa Marta fast erreicht.


Das wirklich große Kino spielt sich aber während der spannenden Fahrt vor den dunkel getönten Busscheiben am Rand der Straße ab. Es sind unbeschreibliche Szenen und Eindrücke, die uns schier überfluten. Bunte Dörfer, laute Städte, große Haziendas in wunderschönen Landschaften und scheinbar chaotische Siedlungen aus einer anderen Welt. Belebt von Menschen, die von unserer Realität unvorstellbar weit entfernt scheinen und sind. Es sind Bilder, die von größter Armut aber auch von überschäumendem Leben erzählen. Wir sind wirklich sprachlos und tief berührt.


Nach schon sechseinhalb Stunden statt der geplanten fünf, erreichen wir den zentralen Busbahnhof von Santa Marta und sind somit beinahe am Ziel. Das dortige Taxi hat einen günstigen Tarifpreis und bringt uns schnell und freundlich zu unserer Unterkunft. Geschafft - eine Busreise durch Kolumbien ist tatsächlich ein einzigartiges Erlebnis und nebenbei bemerkt die totale Antipode zu einer gemächlichen Segelreise entlang der Küste.