Holly Golightly

#52
Union Island

Union Island – 15 Tonnen auf Drift, eine Premiere und manche sind einfach D O O F

  • Reisegeschichten

Ach ja, die Tobago Cays zu verlassen fällt uns schwer, aber es hilft ja nix: Gemüse und Obst sind verbraucht und der Füllstand unseres Trinkwassertanks hat unterdessen eine Marke unterschritten, der bei Mareike eine gewisse Anspannung erzeugt. – Ja, der einst so viel geliebte, kleine und feine Watermaker will immer noch nicht ganz so, wie wir das wollen :-(
Nachdem wir uns durch die Riffe aus den Cays rausbugsiert haben, geht es unglaubliche 3,7 nautische Meilen weiter nach Union Island. Unser Ziel ist Clifton Harbour, wo es nicht nur ausreichend Frischkram gibt sondern auch Zoll und Immigration zu finden sind. Hier wollen wir aus Saint Vincent und den Grenadinen ausklarieren, bevor es weiter Richtung Grenada geht.
Erstmal müssen wir allerdings einen geeigneten Ankerplatz finden. Das ist nicht ganz so leicht, da der Naturhafen von Clifton-Harbour nicht nur von einem Riff umgeben ist, sondern genau in der Mitte der Bucht quasi ein zusätzliches Bonus-Riff aufzuweisen hat. Diese Besonderheit macht es den Ankerplatz suchenden Yachten nicht gerade leicht.
Nachdem wir trotzdem zwischen den Riffen und ausliegenden Mooringbojen einen super Platz gefunden haben, freuen wir uns riesig, als es nach langer Zeit endlich mal wieder beginnt, wie aus Eimern zu schütten! Wir „spielen Kindergarten“, stellen all unsere etwas größeren Behältnisse an Deck und schieben und rücken alles so zurecht, dass wir möglichst viel Regenwasser auffangen. Es wird gesammelt und in Gallonen umgeschüttet und zwischendurch turnen wir selber über Deck und nutzen die kostenneutrale Dusche trotz verwunderter Blicke einer „nebenan“ liegenden französischen Jacht zum Haare waschen. Was für ein sauberer Start!

Schön, wenn´s nicht so voll ist!

Abends fegen dann einige hochmotivierte Böen über die Bucht. Diese bewegen dann auch eine gut 50 Fuß (15 m) große amerikanische Yacht dazu auf Drift zu gehen – bedeutet: der Anker hält nicht und ca. 15 - 20 Tonnen Schiff treiben durch das Ankerfeld – die Crew ist übrigens unter Deck und bemerkt nicht, dass die Reise schon weitergeht! Das beherzte Eingreifen unseres Nachbarn, der zufällig mit seinem Dingi an der driftenden Yacht vorbeikommt und die Eigner auf ihr wildes Treiben aufmerksam macht, verhindert aber das Schlimmste. Mit viel Einsatz hilft er der scheinbar etwas überforderten Crew auch noch an eine der Mooringbojen fest zu machen.
Unser Anker hält übrigens was er verspricht! Bügelanker we love you :-)

Leider werden wir am nächsten Tag von den Mitarbeitenden von Clifton Harbour des Platzes verwiesen, weil wir ihrer Meinung nach zu dicht an den von ihnen ausgelegten Mooringboien liegen – wir sind ein klein wenig genervt davon, unserer Meinung nach haben wir genug Abstand und es herrscht gegen Ende der Saison eh kaum noch Andrang in der Bucht ... aber natürlich bleiben wir freundlich und fangen keine Diskussion an. Da es nicht so leicht ist, einen anderen Ankerplatz zu finden, hängen wir kurze Zeit später auch an einer Boje und bezahlen brav unser Liegegeld. Auf dem Weg zur Boje „feiern“ wir noch schnell eine Premiere: Das erste mal auf der Reise hat Holly Grundberührung. Mit etwas Glück bleiben wir aber nicht stecken sondern rutschen nur sanft über eine Flache Stelle, die laut Seekarte 5- 8 m tief sein sollt! Dass unser Schiff so viel Tiefgang hat ist uns neu!

Das DInghy-Dock ist randvoll – mit Braunalgen :-((
Auch nix für Fred!

Nachdem unser kleiner Fred am ersten Tag von Franz mal wieder etwas mit Lack versorgt wurde, geht es am zweiten Tag mit ihm Richtung Örtchen. Wir tuckern die zwei optionalen Dinghy-Stege ab, die leider dermaßen rough, also aus Beton sind, dass wir unser kleines Holzbötchen unmöglich ruhigen Gewissens daran zurücklassen können. Also entscheiden wir uns für die klassische Lösung und ziehen Fred auf den nahegelegenen Sandstrand.

Nightlife
Streetlife

Das Örtchen Clifton Harbour ist sehr überschaubar. Einige kleine typisch karibische Bars und Restaurants, ein Supermarkt und ein oder zwei Hotels verteilen sich auf vielleicht einem Quadratkilometer - teilweise hübsch, teilweise aber auch sehr ärmlich. Die „Strandpromenade“ ist leider fest in der Hand der Braunalge und versinkt in einem üblen Gestank. Eine schöne Bar und eine kleine Hotelanlage trauern dort besseren Zeiten hinterher. Ein kleines Becken, extra zum Anlegen der Dinghis gebaut, ist randvoll mit Braunalgen und olfaktorisch ebenfalls ein Problemfall geworden.

Um ein wenig zu essen und zu trinken besuchen wir die „Tipsy Turtle-Bar“, die hübsch am zentralen Marktplatz liegt. Die Bedienung scheint aber wenig erfreut. Etwas griesgrämig aus der bunten Wäsche schauend nimmt sie unsere Bestellungen entgegen. Immerhin ist das „Tipsy-Turtle-WiFi“ fix und gut drauf. So können wir von hier aus die Kommunikation in die Heimat pflegen, während neben uns die heimische Jugend leidenschaftlich Kricket übt.

Die Aussicht aus der Tipsy-Turtle-Bar
Tipsy Home-Office

Wer sich für Luftfahrt begeistert, findet auf Junion Island ein echtes Highlight. Direkt neben unserer Ankerbucht befindet sich der örtliche Flughafen. Im Westen der Start- und Landebahn befindet sich ein kleiner Berg, im Osten, am Ende der Piste nur Wasser. Da die eher kleinen Flieger fast immer gegen den Wind aus Westen landen, müssen sie einen großen Bogen von Süden fliegen und dann parallel zum Berghang im 45° Winkel auf die Landebahn zu halten. Zu guter Letzt geht´s schwungvoll über den kleinen Ort und dann runter auf die kurze Piste – wenn´s passt! Wenn nicht, wird spektakulär durchgestartet und der nächste Versuch in Angriff genommen!

Anflug hinter Masten
Landung im Hinterhof

Auf dem Weg zum Dorfzentrum werden wir von Herman angesprochen. Er akquiriert mit viel Einsatz für seine Mama Kunden. Mama hat einen kleinen Stand am Dorfplatz und begrüß uns mit einem wahrlich goldenen Lachen. In ihrem Mund glänzen drei goldene Schneidezähne um die Wette. Wir treiben ihren Tagesumsatz ein wenig in die Höhe und kaufen viel frisches Obst und Gemüse.

Die restlichen Dinge, die wir so brauchen, hoffen wir beim kleinen Supermarkt um die Ecke zu ergattern. Spannend ist die Tatsache, dass an den meisten Produkten kein Preis steht. Hat man Glück, dann findet man diesen mit schwarzem Filzer auf einen einzelnen Artikel gemalt. Ansonsten sieht man erst an der Kasse was der Spass kostet. Fragt man vorher nach, hält sich die Begeisterung beim mental nur bedingt anwesenden Personal in Grenzen.

Hermans Mamas Sortiment
Mama, Mareike, Herman und Franz (v.l.n.r :-)
Baumarkt-Abteilung im Hinterzimmer vom Supermarkt
Eingeschlafengewachsenes Bauprojekt

Auf dem Rückweg zum Boot entdecken wir unter einem Vordach eine Gruppe junger Menschen, die sichtlich mit viel Freude unter Anleitung Holzkanus bauen. Die Art und Weise wie dies geschieht, erinnert uns an die Entstehung von „Fred“. Neugierig schauen wir uns das mal näher an. Wir kommen mit einem der Instruktoren ins Gespräch, der sichtlich erfreut darüber ist, das sich jemand für das kleine Projekt interessiert. Und tatsächlich stammen die Pläne für die schönen Kanus aus der gleichen Werft wie die von „Fred“, nämlich von der amerikanischen Firma „Chaesapeak Lightcraft“. Die kleinen Kanus, die sogar über einen Glasbodeneinsatz verfügen, werden wenn sie dann fertig sind, in den Inselfarben lackiert – bestimmt ein echtes Highlight in der Bucht!

Bootsbau vom Feinsten ...
... will gut geplant sein
Innen hui und ...
… außen noch mehr hui :-)

Kurz nach uns kommen auch unsere neuen französischen Freunde Séverine und Stéphane nach Clifton Harbour. Um dieses freudige Ereignis zu feiern, machen wir uns vor Sonnenuntergang zusammen auf den Weg nach „Happy Island“, einer winzigen Insel-Bar auf einem Riff in der Bucht. Als wir dort ankommen, ist alles geöffnet, nur das Personal und weiter Gäste werden vermisst. Nach einem Rundgang durch die Bar entdeckt Franz den Wirt schlafend vor dem Fernseher. Nach einem emphatischen Weckvorgang begrüßt dieser uns freudig und der Zubereitung einiger leckerer Cocktails steht nichts mehr im Weg. Es wird ein langer und lustiger Abend – da hat sich auch das späte Aufstehen für den Wirt noch gelohnt :-)

Französisch-Deutsche Freundschaft
Happy Island - where the Barkeeper sleeps

Später empfiehlt uns Herman auch noch eine echte Bar der „Locals“. Die Typsi-Turtle-Bar ist seiner Meinung nach nur was für Touristen. Da wir ja immer gerne den lokalen Handel unterstützen, kehren wir also in der Bamboo-Bar ein. Wir werden von freundlichen, neugierigen Blicken begrüßt. Die Musik ist brülllaut und in einer Ecke wird noch lauter Domino gespielt. Man ist erstaunlich besorgt um uns. Ob die Musik nicht zu laut ist, wird gefragt und als wir uns nach WiFi erkundigen, verschwindet einer der Gäste um wenig später mit den Zugangsdaten eines WiFis wieder auf zu tauchen. Wir fühlen uns wirklich willkommen! Der Bruder des Wirts (der muss Domino spielen) schmeißt derweil den Laden und diskutiert mit Franz über Köln und eine Stadt daneben die mit „D“ anfängt. Während dessen führt Mareike eine herzzerreißende Unterhaltung mit einem vor der Bar sitzenden Mann, der ihr sein Leid klagt weil dessen Liquidität momentan wegen einer fehlenden Überweisung etwas eingeschränkt ist. Er erklärt Mareike, dass doch alle Menschen gleich wären. Und wenn das einer nicht kapieren wolle, dann würde er diesem Menschen mitteilen, dass er „doof“ wäre: „di oh oh äff“. Wohlgemerkt, das deutsche „doof“. Wie recht er doch hat!

Die Bamboo-Bar
Auch der Dom liebt das Bar-Leben

Wie überall in der Karibik bieten auch in Clifton-Harbour die sogenannten Boat-Boys ihre Hilfe an. Das schwimmende Dienstleistungsangebot reicht von Obst und Gemüse, Drogen über frischen Fisch bis hin zur Hilfe beim Festmachen an der Mooringboje.
Es soll Crews geben, die diese Angebote als Belästigung empfinden und strikt ablehnen. Unsere Haltung dazu ist eine etwas andere: Wir finden, dass es fair und wertschätzend ist, diese Angebote anzunehmen. Die Kluft zwischen arm und reich ist auf den Karibikinseln enorm. Da halten wir es für gut, wenn auch die ärmeren Menschen hier vor Ort von unserer Anwesenheit profitieren. Daher macht es uns auch ein wenig traurig zu beobachten, dass die Charter-Crew eines großen Katamarans jegliche Hilfe eines "Boat-Boys" unfreundlich ablehnt. Selbst als sie nicht klar kommen in Sachen Mooring-Boje, wollen sie sich nicht helfen lassen! Völlig ratlos und ungläubig schaut der junge Einheimische der Besatzung bei ihrem hilflosen Gemache zu. Als ob die 20 EC (6 Euro) die Bordkasse ruinieren würden, wo die Miete eines solchen Katamarans locker um die 5 bis 10 tausend Euro pro Woche kostet. Da sind wir wirklich fassungslos!

PS: Auch wenn manch Leser sich ja kaum noch getraut hat nachzufragen: Einen kompletten Reparatur-Tag unter dem #ichnehmnochmalallesauseinander hat der obergeduldige Franz es tatsächlich geschafft, den Watermaker wieder zum Laufen zu bringen! La Ola auf allen Rängen und Mareike freut sich so sehr, dass sie auch einen weiteren Tag in einer auf links gedrehten Holly gut gelaunt übersteht :-)

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