Mick Jagger macht keinen Spaß, Marcus ist unser Freund und James Bond rettetet uns auch nicht mehr!

Auf unserem Weg nach Canouan lassen wir eine sehr populäre Insel „links liegen“. Es ist Mustique, eine berühmte Privatinsel der Superreichen. Die englische Königsfamilie, Mick Jagger und einige andere Superprommis haben hier ein bescheidenes Häuschen unter Palmen. Früher durfte auch das gemeine Volk einen Rundgang auf dem Prommieiland wagen — nachdem aber die Besatzung einer Charteryacht den Pool von Herrn Jagger ausgiebig entweihte und angeblich auch mit ihrem Mageninhalt befüllte, war es mit der freien Besichtigung der High Society vorbei.
Nun muss der normale Segler erst mal für mindestens drei Tage Ankergebühr bezahlen — selbst wenn man nur einen Tag bleiben möchte. Außerdem darf man nur noch auf ausgewählten Wegen zur Strandbar schreiten, um sich dort in der von Phillipe Starck designten Lokalität finanziell zu erleichtern. Wenn man dann noch ganz großes Glück hat, darf man zuschauen, wie sich Mick oder König Charles einen hinter die Binde schütten.
So schön die Insel auch sein soll, lieber Mick: On this this island "I Can’t Get No Satisfaction" — oder auf Deutsch: das macht uns keinen Spaß!

Canouan dagegen ist eine der eher unaufgeregten Inseln der kleinen Antillen und liegt, was das Image betrifft, deutlich im Schatten von Mustique oder den populären Tobago Cays. Daher lassen viele Segler die Insel links liegen und laufen direkt die Cays oder auch Mayreau an. Unser großzügiges Zeitbudget und die geschützte Lage der „Grand Bay“ von Canouan lassen einen Abstecher dorthin aber verlockend erscheinen.
Da die Bucht von weitem etwas unwirtlich erscheint, nähern wir uns erst mal langsam an. Zwei Yachten vor und hinter uns drehen spontan ab. Zusammen mit der gerade einlaufenden Fähre bleiben wir aber stur auf Kurs in die große Bucht. Auf halbem Weg zum Ankerplatz werden wir unglaublich nett von einem Ranger begrüßt, der uns eine seiner Ankerbojen empfiehlt. Aus Kostengründen entscheiden wir uns jedoch fürs Ankern. In dem weißen Sand hält der Anker auf Anhieb hervorragend. Lediglich eine weitere Yacht liegt anfangs noch in unserer Nähe. Es sind Stéphane und Séverine, ein französisches Paar, die wir aber erst Tage später kennen lernen werden. Immerhin winken wir uns schon mal freundlich zu :-)



Um den Bringdienst in der Bucht kümmert sich Marcus. Geduldig und immer freundlich bietet er von Wasser bis zu frischem Fisch alles an. Wir entscheiden uns für beides: Red Snapper und 100 l Trinkwasser, bitte! Und ja, unser Watermaker ist immer noch kaputt, was dem Skipper den letzten Nerv raubt!!!

Marcus ist auch der Inhaber einer kleinen Bar am Strand. Hier kommen wir später bei einigen kühlen Bier und einem erfrischenden Regenschauer ins Gespräch. Während die bareigenen Sandflöhe uns die Beine zerstechen erzählt Marcus, dass die Insel ausnahmsweise kein Wasserproblem hat, da eines der Hotels vor Ort eine eigene Entsalzungsanlage hat und mit diesem Wasser kostengünstig die ganze Insel versorgt wird. Das scheint ja mal eine gelungene Symbiose zwischen Tourismus und Inselbewohnern zu sein!
Was Markus aber sehr befremdet, ist die Tatsache, dass die Hotelbetreiber immer mal wieder in seinen Augen hochwertige Teile der Hotelanlage, wie beispielsweise eine schicke Strandbar, abreißen und komplett auf den Müll schmeißen. Wenn man sieht, wie bescheiden Marcus wirtschaften muss, kann man dies gut verstehen.
Unterdessen nähert sich eine weitere Yacht der Bucht und Marcus muss los, um mit seinem bescheidenen Holzboot die neuen potentiellen Kunden zu begrüßen. Spontan werden wir, die Sandflöhe und die Bar sich selbst überlassen.

Die Ostseite von Canouan wird von einem riesigen, vorgelagertem Riff geschützt. Zwischen Korallenriff und weißem Sandstrand befindet sich ein gigantischer Pool. Dort wollen wir hin! Leider versperrt ein Berg den mühelosen Zugang. Mühevoll bezwingen wir diese unnötige Schikane in der Mittagshitze und erreichen ca. eine Stunde später diese wunderschöne Lagune mit paradiesischem Strand. Jetzt runter mit der Buchse und ab ins kristallklare Wasser — so unser hedonistischer Plan! Was soll uns noch stoppen? Die Antwort: es ist braun, stinkt und macht sich überall breit!
Bevor jemand befürchtet, wir würden jetzt politisch, hier die Lösung: Sargassum ist ihr Name, eine Braunalgenart und sie hat den ganzen Strand in Besitz genommen! Es ist schockierend aber wahr, die Braunalge die sich momentan rasend vermehrt und uns schon im Atlantik begleitete, schwimmt in Form großer Teppiche direkt vor dem Strand.
Ratlos und frustriert sitzen wir im Sand und überdenken die Möglichkeiten. Unser Blick wandert über die türkiese Lagune und wir entdecken etwas silbriges, das sich von Süden nähert. Zum zweiten mal trauen wir unseren Augen nicht. Ein absolut futuristisches, monströses Motorboot gleitet durch die flache Lagune! Das muss James Bond sein, der wie immer die Welt von allem Bösen und Braunem befreit! Leider hat er in diesem Moment grad kein Gespür für das wirklich Gefährliche und läßt uns ratlos mit den bösen Braunalgen zurück.
Später finden wir noch eine kleine Lücke in dem Algenteppich und können doch noch im klaren Wasser planschen.
Auf dem langen und heißen Rückweg gibt´s einen Smaltalk mit drei jungen Piloten, die auf einem Golfwägelchen über die Insel düsen. Angereist sind sie mit einem gemieteten Flugzeug.
Das alles gibt uns zu denken: gigantische Algenteppiche, monströse Motoryachten, Privatflugzeuge, unsere Heimreisen per Flieger und die Klimaerwärmung – da greift ein Rädchen ins andere in der großen Ursache und Wirkungsmaschine.


