Holly Golightly

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#86
Pazifik

3 Seefahrer:innen, 33 Tage auf 33 Fuß – Teil 5

  • Reisegeschichten

STIMMUNG – Schokolädchen zur rechten Zeit!

Auch Mareikes Familie ist früher zu fünft mit dem Käfer in den Urlaub gefahren. Zwar ging es nie in den Süden, sondern nach Dänemark, aber auch diese Reise konnte sich – dank des nicht eben übermotorisierten Gefährtes – in die Länge ziehen. Als jüngstes Kind saß Mareike hinten in der Mitte und wer schon mal in einem Käfer der frühen 70er Jahre auf diesem Platz gereist ist weiß, dass es nicht gerade der bequemste ist. In solch engen Gefährten können auf längeren Reisen die Emotionen durchaus schon mal hochkochen und es kann eine gewisse Form von Dichtestress entstehen.

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Eine Seefahrt die ist lustig, eine Seefahrt die ist schön!

Zugegebenermaßen ist unsere Holly ein bisschen größer als ein VW-Käfer und das ist auch gut so! Schließlich sind wir auch so lange unterwegs wie 33 mal Dänemark hin und zurück. Da freuen wir uns, unser kleines Ferienhaus mit all seinem Komfort sozusagen schon dabei zu haben. Trotzdem und bei aller Liebe ist sie aber nicht die größte Yacht, so dass es sich zu dritt schon mal ganz schön eng anfühlt. Wir tanzen also 33 Tage lang mehr oder weniger geschickt umeinander herum und versuchen eine gute Mischung aus gemeinsamer Zeit, Unterhaltung und auch Freiraum zu basteln. Zusätzlich herausfordernd ist das Gefühl 24/7 auf einem Wackelbrett zu wohnen. Das macht jede Aktion anstrengend: Umziehen, aufstehen, Sachen suchen, Dinge reparieren, kochen, abwaschen, alles wegräumen bevor es wieder durch´s Schiff fliegt :-) Von den tollkühnen Manövern mit denen man sich auf der Toilette verkeilen muss, um am Ende möglichst entspannt dazusitzen, wollen wir gar nicht erst reden …

Unser Ziel ist es, in Fatu Hiva anzukommen ohne dass Teile der Crew schon vor der Beendigung des Ankermanövers schreiend von Bord springen. Was also tun?

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„Gute Nacht Jon-Boy!“

Um die Stimmung oben zu halten ist es erst mal wichtig, dass alle genug Schlaf bekommen. Um dem gerecht zu werden, haben wir uns einigermaßen sinnstiftend auf Holly verteilt. Hier ein kleiner Exkurs zur Schlaf-Situation auf Holly Golightly:

1. Franz schläft in der Vorschiffskoje. Klarer Vorteil: er kann eine Tür zumachen und hat so einigermaßen seine Ruhe (zumindest vom Rest der Crew). Nachteil: vorne bekommt man lautstark zu hören, wenn das Schiff mal in eine Welle „kracht“ und bei wenig Wind hört man mehr als deutlich das eventuelle Schlagen des Vorsegels. Als „kleines Bonbon“ kann man vorne nur selten die Luke aufmachen, da die eine oder andere Welle, die über das Boot kommt die Koje sonst in ein Wasserbett verwandeln würde. Bei den Temperaturen rund um den Äquator führen geschlossene Luken zu einem Raumklima, das man mögen muss. Ist der Wellengang ausgprägt, entstehen in der Frontkoje zusätzlich ganz spannende Momente der Schwerelosigkeit, wenn die Koje plötzlich unter dem Bewohner wegtaucht. Seekrankheit darf hier also kein Thema sein.

2. Genaro schläft in der kleinen aber feinen Heckkabine von Holly Golightly. Auch er hat den Luxus einer Tür, die ihn vom Rest der Gruppe abschirmt. Zwei Miniatur-Fensterchen zum Cockpit sorgen für einen homöopathischen Luft-Austausch, allerdings auch für ein erhöhtes Risiko für den Besuch von fliegenden Fischen. Diese verfliegen sich ab und an ins Cockpit und springen wie verrückt herum, bevor wir sie zurück ins Wasser werfen können. Als bezauberndes Topping liegt man in der Heckkabine kuschlig eng neben dem Motorraum. Das führt zu einem etwas ölig, dieseligen Raumklima - mögen die meisten Männer ja glücklicherweise - und zu der dazugehörigen Geräuschentwicklung, wenn der Schiffsdiesel mal benutzt werden muss.

3. Mareike hat ihr Bettchen mitten im Salon. Mangel an Frischluft ist kein Thema, auch liegt man in der Mitte des Bootes ruhiger als vorne oder hinten. Ein sogenanntes Leesegel verhindert, dass Mareike bei besonders impulsiven Bewegungen von Holly aus dem Bett kullert. Kleine Nachteile dieser Koje: Mareike liegt ungefähr 1,3 m von der Pantry entfernt und erlebt damit alle in ihr erzeugten Geräusche unmittelbar – sei es weil jemand Snickers sucht, etwas kocht oder sich das Geschirr wie von Zauberhand in den Schränken mal wieder kreativ hin und her bewegt. Natürlich müssen auch alle anderen an ihr vorbei, um in unser Mini-Badezimmer und ihre Kabinen zu gelangen. Türgeräusche sollte man auf dieser Schlafposition also tunlichst ignorieren können.

Allen Schlafplätzen ist gemein, dass man sich nicht einfach hinlegen kann, sondern sich je nach Wetter geschickt verkeilen muss, so dass man so wenig wie möglich hin und her rollt. Das gelingt je nach Kurs und Welle mal mehr, mal weniger. Schlaftechnisch ist die Flaute sehr beliebt, weil man dann ganz entspannt in der Koje schlummern kann :-)

Bei allen Haken und Ösen ist das Positive, dass jede und jeder auf Holly eine kleine Oase ganz für sich allein hat. Und meistens gelingt es uns gut, hier Schlaf und Erholung zu finden. Da wir uns auf ein vierstündiges Wachsystem geeinigt haben, hat jedes Crewmitglied nachts sage und schreibe acht Stunden frei! Das ist purer Luxus und wiegt die Enge zu dritt doppelt und dreifach auf!

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Auch braucht jeder und …
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… jede mal Zeit für sich

Ein weiteres I-Tüpfelchen für das Stimmungs-Barometer ist die Tatsache, dass auch Genaro gerne kocht. Im Wechsel mit Mareike zaubert er die erstaunlichsten Leckereien und sorgt damit für das Wohlbefinden der Mannschaft. Auch wenn wir aufgrund von Platzmangel nicht unbegrenzt leckere Getränke mitnehmen können, hat die ein oder andere Dose Cola, Limo oder alkoholfreies Bier es geschafft, einen Platz für die Überfahrt zu ergattern. Eiskalt aus dem Kühlschrank serviert ebenfalls ein echter „gute Laune Macher“. Und wenn gar nichts mehr geht, dann gibts eben ein Schokolädchen :-)

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Gutes Essen hält Leib und Seele zusammen!

Trotz der sprachlichen Vielfalt an Bord (Spanisch, Deutsch, Kölsch :-) gelingen uns auf Englisch, als kleinstem gemeinsamen Nenner, allerlei gute, anregende und auch persönliche Gespräche an Bord. Als weit gereister Mexikaner hat Genaro viel erlebt und spannendes zu berichten. Die Anekdoten unserer Reise und vom europäischen Lifestyle sind wiederum für ihn sehr interessant. Andererseits verstehen wir uns aber ebenfalls in der großen Kunst des Schweigens. So sitzen wir manchmal zusammen aber jeder für sich im Cockpit und träumen entspannt vor uns hin.

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Als wir in Fatu Hiva nach 33 Tagen die Ziellinie überqueren, springt tatsächlich keiner vor oder nach dem Ankermanöver schreiend von Bord! Alles in allem sind wir sehr froh, dass es uns trotz der durchaus herausfordernden Bedingungen gelungen ist, in guter Stimmung hier anzukommen! Es soll ja schon Crews gegeben haben, die nach weitaus kürzeren Törns schreiend das Weite gesucht haben.

Das Weite suchen wir nun auch wieder – aktuell aber zu zweit.
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