Holly Golightly

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#28

Ein neues Geräusch!

  • Seglerlatein

Der Laie ahnt es nicht: Segelboote sind eng verwand mit Musikinstrumenten. Wie bei Saiteninstrumenten werden zur Tonerzeugung eine oder mehrere Saiten (Taue) verwendet, die zwischen zwei Punkten (oft Mastfuß und Masttop) gespannt sind. In den meisten Fällen wird die Schwingungsenergie auf einen Resonanzkörper (Mast) übertragen und dort in Schallenergie umgewandelt, um dann im Rumpf anzukommen.

Verschiedene Tonhöhen werden entweder durch Abteilen der Taue und Seile oder dadurch erreicht, dass für jeden Ton (mindestens) ein eigenes Tau vorhanden ist. In jedem Fall gilt: Je kürzer, je straffer gespannt und je dünner die Taue sind, desto nerviger wird der Ton (frei nach Wikipedia).

Was die Sache besonders spannend macht, ist die Tatsache, dass man mit diesem Musikinstrument auch segeln kann. Jeder oder jede, die schon mal – während das Musikinstrument durch die Wellen schaukelt – versucht hat, im Inneren zu schlafen, wird ein wissendes Lied davon singen können. Besonders einprägsam ist diese Vielzahl an Gräuschen bei kräftigem Wind. Zu dem Schlagen, Klappern, Bollern, Rummsen, Klimpern, Polltern, Bimpern und Scheppern gesellt sich dann noch ein durchdringendes Jaulen, Heulen, Pfeifen, Surren, Flöten und Zischen. Freejazz ist damit verglichen eine geradezu hochmelodiöse Emission.

Wenn eine Segeljacht nun also schwankend und von der Muse geküsst, bei etwas höheren Wellen unterwegs ist, passiert folgendes: Alles, was so mit muss (Töpfe, Gläser, Pfannen, Dosen, Flaschen, Werkzeug, …) wird emotional so mitgerissen, dass es unweigerlich anfängt, im Takt zu schunkeln wie bei der Stunksitzung in Kölle. Der ganze Saal johlt vor Stimmung!!! Dabei entstehen Geräusche, die man sich gar nicht vorstellen kann: dängel, pling, chrunch, grrreng, krrr, urz, päng, ding, prrrrrrrrr, toktuk, knarz und manchmal auch pöff! Erst kürzlich hatten wir ein "plong ping ping" irgendwo im Boot. Nach nur 30 Minuten suchen hatte Mareike die Übeltäterin entdeckt: Eine leere Wasserflasche (plong) plus abgedrehtem Schraubverschluss (ping ping) rollte in einem Fach umher.

Hat man das Pech, dass Wind und Welle durch völlige Abwesenheit glänzen, dann ist nicht etwas Ruhe im Karton – nein, denn in diesem versteckt sich der kleine Bootsmotor, welcher nun zum Leben erweckt wird. Herr Diesel ist leider auch nicht so ganz piano, wie man sich das wünscht – wohnt und werkelt er doch quasi mitten im Wohnzimmer.

Drückt die Seefrau oder der Seemann, in der Koje liegend, sein Ohr an den Rumpf, so eröffnen sich wiederum neue Klangdimensionen. Das vorbei strömende Wasser kann tatsächlich eine sehr beruhigende Wirkung haben – besonders wenn das Schiff sehr gleichmäßig durchs Wasser gleitet. Gleiten zufällig parallel ein paar Delfine neben der dicken Bootswand, hört man diese sogar schnaufen oder pfeifen. Im Hafen wiederum wird das Ohr ab und an durch ein diffuses Knistern und/oder ein lautes Knacken erfreut! Ersteres erzeugen winzige, kleine Krebse, die an der Bordwand sitzen und auf Brautschau sind. Ähnlich wie Motorradfahrer mit röhrenden Sportauspuffanlagen versuchen sie mit diesem Geknister, ein Weibchen für sich zu begeistern. Knackt es dagegen hörbar, dann ist entweder das Schiff verrottet und sinkt gleich oder ein sympathisch anzuschauender Drückerfisch knabbert am Rumpf oder am Steg die Muscheln ab, was nebenbei bemerkt, wiederum ganz nützlich ist.

Einer unserer besonderern Lieblinge in Sachen Tonerzeugung ist der unauffällig unter der Vorschiffskoje verbaute Edelstahlwassertank. Ist er doch scheinbar in direkter Linie mit einer karibischen Steeldrum verwandt! Bei einer bestimmten Kombination von Füllstand und Welle läuft er zur musikalischen Höchstform auf: Es fängt mit einem unauffälligen Plitsch an, gefolgt von einem nur unwesentlich lauteren Platsch. Geräusch Nr. 3 ist schon ein richtiges Plong. Dann wird es ernst: Auf ein schon lautes Rumms folgt ein wahrer Donnerschlag, – so als ob der Geist von Bob Marley ein Reggaefestival auf Cuba eröffnet hätte! Nach einer Gedenkminute fängt das ganze wieder von vorne an! Wir verlassen dann manchmal das Festivalgelände und ziehen in den Salon um ...

So wird also das Jachtleben durch eine Vielzahl von Geräuschen bereichert. Nicht besonders erwähnt wurden hier klappernde Türen, knarschende Masten, polternde Ruderblätter, krachende Steganlagen, quietschende Fender, blubbernde Pumpklos, schlagende Umlenkrollen, surrende Spannbänder, brummende Kühlschränke, knatschende Festmacher und dröhnende Wasserpumpen. Und gerade wenn man denkt, man kennt sie alle, dann ist es da plötzlich: Ein ganz neues Geräusch!?!?

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Hier schauen sie noch so unschuldig. Aber wehe das Boot bewegt sich ...
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